auf ein Wort

Texte 2023

Kein Tiger im Schnee

Opa,
hattest du auch einmal einen Tiger
im Tank?
Ja!
Aber das geht doch gar nicht,
der ist doch viel zu groß!

Das haben die Leute von der Tankstelle
auch nur so gesagt. Damit man viel
Spaß beim Autofahren hat und dann
schnell fährt.

Aber Autos sind doch schädlich
für die Umwelt, sagt unsere Lehrerin!

Genau. Aber die Leute, die das Benzin machen,
wollen auch viel Geld verdienen.

Die wussten sogar schon ganz lange,
dass es dadurch bei uns immer wärmer wird
und wir immer weniger Schnee bekommen.

Opa – was ist Schnee?

Kohle holen

Natürlich hätte ich auch gern
Kohle gemacht, allerdings nicht
wie mein Vater, untertage,
sondern oben, am Liebsten
im Rampenlicht.

Doch
ich bin dann doch
einer anderen Stimme gefolgt,
auch unter Schmerzen,
bin in einen anderen Förderkorb
gestiegen, um von unten,
von tief unten
Worte und Bilder
zutage zu bringen.

Die machen zwar keine Kohle,
sorgen aber auch
für Wärme und Energie.

Traumhaft

Früher –
hatte ich viel weniger Zeit, da
habe ich sie mir einfach genommen,
zum Denken und Träumen.

Was könnte, sollte, müsste werden?

Ich hatte eben viel Zeit –
noch vor mir.

Heute leider nicht mehr,
obwohl ich jetzt viel Zeit hätte.

Aber meine Krämerseele
grübelt und meint,
ich dürfe jetzt wirklich
keine Zeit vergeuden.
Es gäbe nur noch das Jetzt.

Also denke und träume ich jetzt
heimlich,
wie früher in der Schule.

Ich und alt?

Das kann mir doch nicht passieren.
Alt und müde
sind die anderen,
ich habe einfach viel zu tun.

Denn nach der Arbeit
kommt noch
die andere Arbeit.

Heute ist fast alles genauso, oder
sagen wir mal so:
heute mache ich nur viel häufiger
eine Pause. Ich sitze auch gern
in meinem Ohrensessel.
Einfach nur so!

Früher habe ich das nicht gemacht,
schließlich hatte ich damals auch
keinen so bequemen Sessel.

Das wird es sein….

Heute

Immer nur heute,
alles andere darf ich
versöhnt loslassen
oder neugierig erwarten.
Bis mein Heute
ewig wird.

(für Franz von Sales)

Umwege

So viele Umwege habe ich in meinem Leben gehen müssen.
Deshalb kenne ich mich jetzt da auch so gut aus. Fragt mich ruhig….

(April 2021)

Versuche

Ich habe es schon hundertmal versucht,
immer sind meine Ideen im Sande verlaufen.
Heute versuche ich es einmal auf der Straße.

(April 2021)

Etwas

auf den Punkt zu bringen
ist nicht schlicht und einfach
sondern eine elende Plackerei.

Da beneide ich Künstler,
die ein Bild nach dem anderen malen können.

Ich suche, weiß aber nicht was,
möchte eine Witterung aufnehmen,
einen Einstieg finden in eine Höhle,
dort wo im Märchen die Schätze liegen,
aber Sesam hat meist keine Lust
sich zu öffnen, also wandere ich weiter,
durch Textwüsten, grabe in Matsch und Müll,
suche, sammle, sortiere, siebe und
kaue wie ein Rindvieh
meine Zweifel immer wieder durch.

Da bleibt nicht viel übrig,
schließlich ist ein Punkt
auch ein ziemlich kleines Etwas, aber
manchmal, ja manchmal finde ich doch
ein Nugget,
eins aus purem Gold.

(Februar  2022)

Alles einmal gelernt

damals, dann die Klausuren geschrieben,
in Mechanik oder Regelungstechnik und
abends mit den Kumpels Bier trinken gegangen,
damit der Kopf wieder frei wurde,
um weiter zu lernen für die nächsten Klausuren.
Ja, lang, lang her.

Aber jetzt -,jetzt kreist mir dieses alte Zeug
wieder im Kopf herum
und ich kann nicht schlafen.

Zum Beispiel die Sache mit dem dünnen Stab,
der wird im Labor von oben belastet, langsam,
mehr und mehr, sieht doch super aus,
aber plötzlich macht der die Biege,
bricht mittendurch – Knickstabilität überschritten.

Da gab es doch auch so’n komischen Ausdruck –
Bifurkation? Oder? Egal! Also da gibt es einen
Verzweigungspunkt, ab dem schon Kleinigkeiten
zum Bruch führen können. Muss aber nicht.

Und wenn der Golfstrom plötzlich
auch einmal so abknickt?
Ich kann nicht schlafen…

Und dann diese ganze Kiste mit der Regelungstechnik,
mit Differentialgleichungen und imaginären Zahlen,
war nicht einfach, damals, aber zum Glück nur auf Papier.

Heute bekäme ich das nicht mehr auf die Reihe!
Und ich liege da. Einfach umdrehen? Nützt auch nichts!

Da war auch was mit linearen Reglern, Kippunkten,
auch mit Eigenfrequenz und Resonanz, wenn eine
Kinderschaukel immer wieder angestoßen wird,
immer wieder, immer höher – bis zum Überschlag?

Wenn so ein Prozess aus dem Ruder läuft,
unkontrollierbar wird, wie ein ins Schleudern
geratenes Auto oder bei Krebs,
wenn die Zellen plötzlich verrückt spielen und
zu wuchern beginnen….

Und jetzt schmelzen die Gletscher, das ewige Eis
am Nord- und Südpol, immer schneller, und die Waldbrände,
die Trockenheit, die Überschwemmungen und ich liege da…

Wirklich, ich habe das alles einmal gelernt, aber damals
waren das Übungsaufgaben, und Papier ist geduldig,
aber jetzt, jetzt wird alles greifbar,

und ich liege da und kann nicht schlafen.

(2021)